Alles im Fluss halten - praktische Krisenbewältigung
Im ersten Teil unserer kleinen Serie hat Business-Consultant Thomas Pretschner Ihnen gezeigt, wie Sie mit Hilfe der SWOT-Analyse Existenzängste in den Griff bekommen. Heute geht es um die praktischen Aspekte der Krisenbewältigung.
Und plötzlich ist alles anders! – Die Corona-Krise hat viele Unternehmer aller Branchen in ihren Glaubenssätzen erschüttert. Was selbstverständlich galt, war mit einem Mal ganz anders. In diesem Beitrag möchte ich Ihnen Hilfestellung geben, wie Sie mit den Einschränkungen umgehen und dennoch in die Zukunft planen können.
Im Verlauf des Tätigkeitsverbots mussten viele Kosmetikerinnen an ihre Grenzen gehen. Sowohl an die nervlichen als auch die finanziellen. Unterstützungen gibt es, aber sie kommen meist erst spät aufgrund der hohen Anfrage. Und Lichtblicke zeigen sich nur wenige. Dennoch ist gerade jetzt die Zeit, nach vorn zu blicken und aktiv etwas zu bewegen.
Raus aus der Krise bedeutet zu allererst einmal „Raus aus der Starre“. In 5 Schritten zeige ich Ihnen wie das gelingen kann.
- Schritt: Kosten reduzieren
In jedem Abenteuerroman findet man einen Moment, wo Wasser knapp und deswegen rationiert werden muss, um das Ziel zu erreichen. Dabei ist meist von einer Wüste, unwirtschaftlicher Gegend oder Gebirge die Rede. Genau da befinden wir uns und das „Wasser“ steht hier gleichbedeutend mit dem Geld, welches Sie jeden Monat für laufende Kosten ausgeben müssen. Um möglichst lange durchhalten zu können, reduzieren Sie Ihre monatlichen Kosten. Kann Ihre Miete reduziert werden? Können Sie mit Ihrem Energielieferanten eine Stundung oder Reduzierung der monatlichen Energiekosten vereinbaren? Welche Versicherungen können Sie zeitweise stunden? Haben Sie Abonnements, die Sie nicht zwingend benötigen? Konnten Sie Steuervorauszahlungen (Einkommens-, Gewerbe- und Umsatzsteuer) aussetzen oder reduzieren lassen?
Denken Sie daran: Jeder gesparte Euro bringt Sie wieder ein Stück weiter.
- Schritt: Liquidität sichern
Ihr Unternehmen hat in den letzten Wochen/Monaten der Krise stark gelitten. Sie hatten zum Teil bis 100% Umsatzeinbußen und dennoch laufende Unternehmenskosten. Selbst der oftmals stark intensivierte Produktverkauf (z.B. über Onlineshop oder persönliche Lieferungen) konnte nur einen kleinen Teil Ihrer Gewinne realisieren. Warum?
Je nachdem, wie Ihr Geschäft aufgebaut ist, haben Sie als Umsatzquellen nur die kosmetische Dienstleistung und den Produktverkauf zur Verfügung. Die Dienstleistung dürfen Sie derzeit (noch) nicht ausüben, diese macht durchschnittlich jedoch rund 60 - 80% des Umsatzes aus. Nur mit Produktverkauf an Ihre Stammkunden oder auch über einen Onlineshop an Fremdkunden, lässt sich das in der Regel nicht einfach ausgleichen. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass der „Gewinn“ beim Produktverkauf sehr viel geringer ist (ca. 35 - 40%) als bei der Kosmetikbehandlung (ca. 75 - 85%). Wenn Sie im Durchschnitt also üblicherweise etwa 10.000 € Netto-Umsatz pro Monat geschafft haben, realisieren Sie jetzt nur mit Produktverkauf vermutlich nur noch rund 3.000 €. Bei nur etwa 40% „Gewinn“ pro verkauftem Produkt ergibt das nur etwa 1.200 € um Ihre laufenden Unternehmenskosten und Lebenshaltung zu bezahlen. Im Vergleich dazu lag der „variable Gewinn“ (Deckungsbeitrag) aus kosmetischer Dienstleistung und Produktverkauf sonst bei ca. 6.500 €, aus dem Sie dann Ihre laufenden Unternehmens- und privaten Lebenshaltungskosten finanziert haben. Ein massiver Einschnitt in Ihre Zahlungsfähigkeit.
Prüfen Sie daher die Möglichkeiten, um die Liquidität (Zahlungsfähigkeit) Ihres Unternehmens in der Zwischenzeit, auch über den Zeitraum der Wiedereröffnung hinaus sicherzustellen. Haben Sie die Soforthilfen beantragt und erhalten? Bietet die Landesbank zinsgünstige Liquiditäts-Darlehen an? Beantragen Sie in dieser Situation bitte lieber etwas zu viel und legen Sie die Auszahlungen als „Notfall-Reserve“ zurück. Damit können Sie in späteren Engpässen Ihre Zahlungsfähigkeit erhalten, z.B. wenn das Geschäft nach der Krise nicht gleich wieder richtig startet. Investieren Sie dieses Geld jedoch nicht in Neuanschaffungen oder private Käufe. Dafür ist es nicht gedacht und es ist anzunehmen, dass nach der Krise eine Prüfung mit Verwendungsnachweis von den Behörden zu den Fördergeldern erfolgen wird. Im ungünstigsten Fall wird also möglicherweise ein Teil der ausgezahlten Gelder wieder zurückverlangt. Aus dem zurückgelegten „Notfall-Reserve“ sollte das problemlos möglich sein, ohne Ihr Geschäftskonto unnötig zu belasten.
- Schritt: Zielgruppe verstehen und darauf vorbereiten
Selbst wenn Sie Ihre Tätigkeit in der nächsten Zeit wieder vollständig aufnehmen dürften, ist es anzunehmen, dass es zu einer Art Anlaufphase kommt. Der Grund liegt hier schlicht bei der Kosmetik-Kundschaft. Diese teilt sich zurzeit grob in 3 Gruppen:
- diejenigen, die die Situation recht stoisch einfach hinnehmen und ruhig abwarten,
- eine Gruppe zum Teil fast schon aggressiver Kundschaft, die unbedingt schnell wieder Termine haben will und
- die Personen, welche aus Angst vor einer potenziellen Infektion von nichts und niemandem etwas hören wollen
Egal was Sie jetzt tun, mindestens einer dieser Gruppen machen Sie es nicht recht und können sogar Gefahr laufen, diese Kunden dauerhaft zu verlieren. Und zwar einfach nur, weil sie sich nicht verstanden bzw. ernst genommen fühlen. Schließlich glaubt jeder, im Recht zu sein.
Gehen Sie daher davon aus, dass vorerst weniger Kunden bei Ihnen wieder Termine machen. Das kann zu Beginn gar nicht auffallen, da gerade die „Corona-Verweigerer“ schnellstmöglich Termine haben wollen und sicher die ersten 1-2 Wochen prall mit Terminen füllen. Es kann jedoch sein, dass es anschließend wieder ruhiger wird, weil die anderen beiden Gruppen noch immer nicht so richtig in der Kosmetik-Normalität wieder angekommen sind.
- Schritt: Ziele setzen und Maßnahmen planen
Im Augenblick sieht es so aus, dass Kosmetikstudios bereits im Laufe der nächsten Wochen wieder öffnen dürfen. In manchen Bundesländern ist dieser Vorgang bereits im Gange. Diese Wiederaufnahme Tätigkeit ist jedoch erst einmal an verschärfte Infektionsschutz-Bedingungen gebunden. Bereiten Sie ein Hygienekonzept mit Infektionsschutzmaßnahmen vor. Außerdem werden Sie eine Dokumentation Ihrer Kundentermine einführen müssen. Hierbei besteht voraussichtlich die Auflage, den Namen, die Uhrzeit (von/bis) der Kundenanwesenheit sowie dessen gesundheitliche Unversehrtheit (keine grippeähnlichen Symptome) zu notieren und vom Kunden gegenzeichnen zu lassen. Auf dieser Basis könnten Sie z.B. auch versuchen eine Ausnahmegenehmigung zur vorzeitigen Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs inklusive gesichtsnaher Dienstleistungen bei Ihrem zuständigen Gesundheitsamt zu erwirken.
Die Umsetzung der Hygienemaßnahmen kostet zusätzlich Geld (Masken, Einweghandschuhe, Desinfektionsmittel, evtl. Plexiglas-Scheibe im Tresenbereich, etc.). Planen Sie z.B. eine Infektionsschutz-, Corona- oder auch Hygiene-Pauschale ein. Je nach Preisniveau Ihrer Leistungen und Kaufkraft Ihrer Kundschaft kann diese zwischen 3,50 – 9,50 € pro Behandlung liegen. Damit können Sie mittelfristig einen Teil Ihrer Sonderausgaben amortisieren.
Alternativ können Sie natürlich auch generell eine Preiserhöhung durchsetzen. In der aktuellen Kunden-Euphorie wegen der Rückkehr zur Normalität, werden Preiserhöhungen in vielen Bereichen meist kommentarlos akzeptiert. Das ist jedoch eine Frage Ihres Feingefühls und der Kaufeigenschaften Ihrer Kundschaft.
Sie haben die letzte Zeit massive Umsatzeinbußen zu verzeichnen gehabt. Bereiten Sie ein „Willkommen zurück“-Angebot für Ihre Kundschaft vor. Das könnte eine tolle Trendbehandlung mit einem inkludierten Heimpflegeprodukt zu einem etwas höheren Aktionspreis sein. Da Ihre Kunden bisher auch die Kosmetikausgaben gespart haben, ist anzunehmen, dass sie ein solches Angebot „ausnahmsweise“ gern in Anspruch nehmen. - Damit könnten Sie Ihre vergangenen Umsatzeinbußen schneller wieder auffangen.
- Schritt: JETZT ANPACKEN
Bisher haben wir über die Sicherung Ihres Unternehmens sowie die Planung von der „Zeit nach Corona“ gesprochen. Die Vorbereitungen laufen jedoch jetzt.
Teilen Sie sich Ihren Arbeitsalltag klar in Arbeitspakete ein:
- Telefondienst (2 Stunden täglich)
- Emails beantworten (1 Stunde täglich)
- Arbeit am Hygieneplan und Kundenblatt (1 Stunde täglich)
- Preiskalkulationen für Behandlungen prüfen (2 Stunden täglich)
- Marketing-Aktion ca. aller 8 Wochen planen (1-2 Stunden täglich)
Konzentrieren Sie sich innerhalb der jeweiligen Zeit pro Arbeitspaket ausschließlich auf die betreffende Tätigkeit
Setzen Sie sich ein Ziel, ab wann Sie Ihre Kunden voraussichtlich wieder behandeln dürfen und rufen Sie sie persönlich für eine Terminabsprache an. Das zeigt Ihre Präsenz und Professionalität. Auch Termine, die bereits vor der Krise vereinbart wurden, sollten Sie noch einmal sicherheitshalber nachbesprechen. Je nach individueller Corona-Ansicht des Kunden, könnten diese auch hinfällig sein und ab Wiedereröffnung können Sie sich erst einmal keine Terminausfälle leisten.
Informieren Sie z.B. per Email, WhatsApp-Status oder Broadcast regelmäßig Ihre Kunden über die aktuellen Veränderungen, Lockerungen und voraussichtlichen Beginn der Kosmetikbehandlungen. Zeigen Sie dabei persönlich Präsenz, das stärkt die Kundenloyalität und verhindert Abwanderungen zu Wettbewerbern, die „scheinbar“ eher öffnen dürfen.
Nutzen Sie die Zeit außerdem, um Ihre Preiskalkulationen zu prüfen. Viele Fachkollegen und -kolleginnen haben seit Jahren keine Preiserhöhungen mehr durchgeführt. Und das obwohl die Betriebs- und Lieferantenkosten im Durchschnitt zwischen 3 und 5% pro Jahr steigen. Als Faustregel gilt: Der Preis einer Kosmetikbehandlung sollte mindestens zwischen 1,- € und 1,50 € pro Minute liegen. Hierbei stellt der 1,- € allerdings wirklich die absolute Untergrenze dar. Prüfen Sie dazu bitte auch Ihre fixen Unternehmenskosten. Für Sie als Planungsgröße sollte von Ihrem monatlichen Netto-Umsatz (Umsatz abzüglich Mehrwertsteuer) ein Gewinn von ca. 30 – 35% übrigbleiben.
Anhand dieser Kalkulation können Sie nun auch schon einmal drei zukünftige Aktionen vorbereiten. Hierbei sollte eine Aktion unmittelbar nach der Wiedereröffnung als „Willkommen zurück“-Aktion starten. Planen Sie eine Trend-Behandlung für die Frühjahrssaison vielleicht auch mit einem attraktiven Heimpflegeprodukt zu einem höheren Preis. Um sich Termine auch bereits in die nächsten Monate zu sichern, kann das Angebot als Kur angeboten werden. Schließlich haben Ihre Kunden ja auch viel nachzuholen und freuen sich über besondere Angebote mit hohem Mehrwert.
Die nächsten Angebote könnten im 2- bis 3-Monatstakt erfolgen und Ihre Kunden regelmäßig an Ihre Leistungen erinnern. Achten Sie darauf, den Nutzen der Behandlungen auf die saisonalen Bedürfnisse Ihrer Kunden anzupassen. Im Herbst haben Ihre Kunden erfahrungsgemäß andere Wünsche als z.B. im Sommer oder Winter.
Sie sehen, eine solche Krise ist im ersten Moment zwar schockierend, zum Teil sogar lähmend. Bei genauerer Betrachtung bietet sie jedoch auch eine echte Chance, daraus als Gewinner gegenüber dem Wettbewerb hervorzugehen. Also klagen Sie nicht über die aktuelle Situation, sondern arbeiten Sie jetzt aktiv an Ihrem zukünftigen Erfolg.
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